How to Steckholz: Pflanzenvermehrung leicht gemacht

Eine Anleitung von Andreas Motschiunig

Was ist ein Steckling:

Stecklinge sind abgeschnittene Triebe einer Pflanze, die man zum Bewurzeln bringen will. Wir sprechen hier von vegetativer Vermehrung – das ist im weitesten Sinne Klonen.
Die Pluripotenz der Pflanzenzellen macht es möglich! Wenn die Bedingungen stimmen, kann aus einer einzigen (meristematischen) Zelle die gesamte Pflanze neu auswachsen.

Im Falle des Stecklings genügt es aber, wenn aus solch einer Zelle einfach nur neue Wurzeln austreiben. Genau das tun wir bei der Bewurzelung – wir schaffen die richtigen Bedingungen und den Rest macht unser Steckholz ganz von selbst!
Das Steckholz bezeichnet einen Steckling, der komplett verholzt ist. Zumeist sprechen wir dabei von ein- oder zweijährige Trieben. Je jünger das Holz desto wahrscheinlicher bewurzelt es. Steckhölzer werden im Zeitraum der Dormanz (Winterruhe → keine Blätter) geschnitten.



Quelle:deepgreenpermaculture.com
Quelle:gartenjournal.net

Der größte Feind des Stecklings ist die Vertrocknung, seltener der
Schimmel, wenn Mensch zu großzügig mit dem Feuchthalten ist.
Das Steckholz ist allerdings gut gewappnet gegen Vertrocknung – die Rinde ist ein natürlicher und sehr effizienter Vertrocknungsschutz. Da es (noch) keine Blätter hat, gibt es auch sonst keine natürlichen Verdunstungsflächen. Nur die Schnittflächen selbst lassen Verdunstung zu.



So und wo finden sich jetzt diese pluripotenen Zellen? Tja, von denen gibt es reichliche im Steckholz! Direkt unter der Rinde finden wir das Kambium – eine ganze Schicht aus diesen coolen Zellen! Weitere hohe Zellansammlungen finden sich im Achselmeristem in den Nodien (umgangssprachlich ‘Augen’).

Bewurzelung:

Wir haben jetzt also lokalisiert, wo die Wurzeln herauswachsen werden und wissen dass wir das Steckholz vor Austrocknung schützen sollen.
Jetzt fehlen uns eigentlich nur noch ein zwei Faktoren: Wärme & Zeit!
Kallusbildung, also die Bildung von undifferenzierten Gewebe aus den pluripotenten Zellen, braucht Wärme! Wobei Wärme hier relativ ist. Vermehren wir beispielsweise Feigen, Maulbeeren oder Granatäpfel wären 20 – 25 °C Substrat Temperatur vorteilhaft. Es funktioniert allerdings auch bei tieferen Temperaturen.


Pflanzen wie Ribiseln, Stachelbeeren, Wein, Kiwis usw. können auch bei tieferen Temperaturen bewurzelt werden.
Generell ist ein Gradient zwischen der Luft und Substrattemperatur sehr hilfreich. Die Luft über dem Substrat sollte möglichst kühl sein während das Substrat selber warm sein sollte.
Die kühle Luft hemmt den Knospen Austrieb → je länger dieser unterdrückt wird desto später beginnt das Steckholz über die Blätter zu transpirieren, also Wasser zu verlieren. Das warme Substrat hingegen führt zu einer beschleunigten Wurzelbildung.
Sobald die Wurzel gebildet ist kann der Steckling auch nicht mehr austrocknen, sofern ihr nicht auf das Gießen vergesst.

Das Stecken:

Wie der Name schon verrät, will das Steckholz gesteckt werden.
Das ideale Steckholz hat je nach Länge 3-4 Augen und sollte kurz über dem obersten Auge abgezwickt werden. Beim Stecken werden alle bis auf das oberste Augen in die Erde gedrückt – dieses soll dabei auf der Erde aufliegen. Und das ist auch schon die ganze Magie!
Weiter macht es auch Sinn am unteren Ende des Steckholzes die Rinde, mit sauberer Klinge, anzukratzen → dadurch wird das Kambium, der Ort der Wurzelbildung, frei gelegt. Steckhölzer müssen natürlich entsprechend ihrer Wuchsrichtung in die Erde gesteckt werden. Die Knospen sind immer nach oben ausgerichtet und so muss eben auch gesteckt werden. Die Faustregel dabei ist: Ein ‘Auge’ über der Erde und der Rest in der Erde. Falls ihr “Budding Tape” oder Parafilm besitzt könnt ihr den Teil des Steckholzes der aus dem Substrat ragt damit einwickeln um die Verdunstung noch mehr zu verringern. Dabei sollte allerdings nur die Rinde ohne die Knospen umwickelt werden. Außerdem kann die Schnittstelle am oberen Ende des Steckholzes mit Wachs versiegelt werden.


HOW-TO:

Heizkabel am Boden einer Plastkbox

So viel zur Theorie, ich erkläre euch jetzt einfach, wie ich das normalerweise mache! Also wie beschrieben stecke ich die Steckhölzer in lockeres Substrat.
Zum Bewurzeln kann das z.B.: Koko, eine Seramis Erdmischung, Perlite usw. sein. Hauptsache locker und leicht feucht zu halten – gerne auch nährstoffarm.

Je nach Länge und Menge der Steckhölzer sowie der Art der Pflanze gibt es zumindest zwei Möglichkeiten für mich.
Wenn die Hölzer sehr groß und lang sind, stecke ich sie in einen entsprechenden Topf, mit einem noch längeren Holzstab dazu. Dann ziehe ich einen transparenten Plastikbeutel darüber und befestige diesen am Topf. Der Holzstab dient dazu, das Aufliegen des Plastikbeutels auf dem Steckling zu verhindern (Schimmelbildung).
Bei kleineren Hölzern packe ich gerne mehrere Töpfchen mit Steckhölzern in transparente Plastikboxen und verschließe diese.
Wie ihr beim Lesen sicher bemerkt habt, geht es darum, eine Situation zu schaffen, in der hohe Luftfeuchtigkeit herrscht und ich nicht gießen muss.

Sand hilft die Wärme gleichmäßig zu Verteilen

Nun fehlt uns nur noch die Wärmequelle:
Seid kreativ – stellt die Töpfchen auf die Fußbodenheizung im Bad oder vielleicht in den am stärksten beheizten Raum des Hauses oben auf ein Kasterl. Wenn ihr so zwanghaft Pflanzen vermehrt wie ich könnt ihr euch natürlich auch eine Terrarien Wärmematte bzw. ein Heizkabel dafür besorgen.
Ihr fragt euch jetzt bestimmt, wie es mit der Beleuchtung aussieht! Die braucht es erst, wenn die ersten Blätter austreiben. Hierfür ist aber Tageslicht durch ein Fenster ausreichend. Davor müsst ihr euch keine Gedanken darum machen.
Okay, jetzt kommt die vermutlich ernüterndste Information – die Bewurzelung kann schon mal 2 bis 3 Monate dauern! Seltener schneller. Wie gesagt: Es kommt alles auf die Bedingungen an, die ihr schafft.

Maulbeere, gesteckt in Plastikbeutel ‚Figpop‘

Pflanzen draußen Bewurzeln:

Es gibt auch Pflanzen, die sich im Frühjahr gut im Freiland Bewurzeln lassen.
Diese Pflanzen kommen sehr oft ursprünglich aus einer Klimaregion die sehr ähnlich der unseren ist.
Die Pflanzen werden im Jan./Feb. Geschnitten, anschließend werden die Steckhölzer dann, bis die Außentemperaturen nicht mehr tief unter 0°C fallen bzw. der Boden nicht mehr gefroren ist, in Plastikbeuteln im Kühlschrank gelagert.
Sobald die Gegebenheiten passen können die Hölzer im Freiland gesteckt werden. Entweder in Töpfen oder direkt in den freigemachten Boden.
Bei Spätfrösten können die gesteckten Hölzer mit einem Fließ abgedeckt werden.
In das Stecklingsbeet vorab eingearbeiteter Kuh- oder Pferdemist kann hillfreich sein – durch den biologischen Abbau entsteht Wärme im Boden, die wiederum günstig für die Wurzelbildung ist.
Draußen bewurzelte Stecklinge sollten erst im folgenden Herbst/Frühling im dormanten Zustand umgesetzt bzw. ausgebuddelt werden.