Bio-/Diverse Essbare Stadt

Hintergrund

Die Idee einer Essbaren Stadt (engl. Edible City) hat in den letzten Jahren weltweit Aufmerksamkeit gewonnen. Gemeint ist damit der Ansatz, Städte „essbarer“ zu machen – zum Beispiel durch die Förderung von Gärten aller Art (z. B. Gemeinschaftsgärten, Schulgärten, Selbsterntefelder), freizugängliches Obst und Gemüse (Hochbeete/Kräuterbeete in Parks, oder essbare Landschaften mit Obstbäume und -sträuchern), Streuobstwiesen usw. Der Ursprung der Edible City-Idee wird meist dem Incredible Edible Network aus Großbritanien, insbesondere der Stadt Todmorden zugeschrieben.

Ziel dieser Initiativen ist es, Ernährung, Stadtentwicklung und Lebensqualität stärker miteinander zu verbinden. Es geht also stark darum, ökologische und soziale Nachhaltigkeit zusammenzudenken.

  • Die angebotenen Lebensmittel – im Falle von essbaren Landschaften oder Beeten im Park – sind in der Regel nach dem Fair-Use-Prinzip (Ernte nach Maß / „naschen“) frei zugänglich. Bei Gemeinschaftsgärten ist man in der Regel Mitglied (Mitgärtner:in). Damit soll jede:r Zugang zu diesen Lebensmitteln haben.
  • Die Bewirtschaftung ist agrarökologisch, permakulturellen oder biologischen Bewirtschaftungsweise der Flächen. Damit wird ein Beitrag zum Umwelt- und Naturschutz sowie für die Artenvielfalt geleistet. Mitunter können Gemeinschaftsgärten und essbare Landschaften auch zum Erhalt von Kultursorten beitragen.
  • Um die Anlage, Pflege und Instandhaltung von essbaren Landschaften kümmern sich meist Ehrenamtliche (bottom up); manchmal auch Gemeindeverwaltungen selbst (top down). Bei Gemeinschaftsgärten sind es Ehrenamtliche.
  • In einigen Fällen nutzen die essbaren Städte/Gemeinden dieses Angebot auch als touristisches Aushängeschild (z. B. Andernach, Kirchberg am Wagram).
  • Um diese Angebote herum entstehen oft soziale Netzwerke, findet Austausch statt (Bewusstseinsbildung, Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten) und die Betätigung in diesen Initiativen zielt auf die Gesundheitsförderung ab.
  • Manche – wie der Ansatz der Transition Town – sehen in der essbaren Stadt einen Katalysator für die Regionalisierung von Lebensmittelversorgungsstrukturen.
  • Der Aufbau eines breiten Lebensmitelangebots im Sinne der essbare Stadt kann auch als Resilienz-Strategie gegenüber Blackout- oder handelpolitisch-bedingten Lieferengpässen oder Ernteausfällen gesehen werden.

Das Projekt EdiCitNet zählt sämtliche Formen der Lebensmittelproduktion (outdoor, indoor, kommerziell und nicht-kommerziell) innerhalb einer Stadt zu den sogenannten Edible City Solutions.

Die Bio-/Diverse Essbare Stadt greift die Grundsätze der Essbaren Stadt und fokussiert dabei auf den Schutz und der Förderung von Biodiversität – also der Vielfalt von Pflanzen, Tieren und Ökosystemen – und mit einem klaren Fokus auf soziale Gerechtigkeit.


Zielsetzung

Das Ziel der Bio-/Diversen Essbaren Stadt ist es, mehr biologische Vielfalt in der Stadt zu fördern, und gleichzeitig den Zugang zu gesunder, nachhaltiger Ernährung für alle zu verbessern – besonders für Menschen, die bisher davon ausgeschlossen sind bzw. einen mangelnden Zugang haben. Es geht also nicht nur um Gemüsebeete im öffentlichen Raum, sondern um eine ganzheitliche Sichtweise auf Ernährung, Natur, Zusammenleben und Stadtgestaltung.

Die Bio-/Diversen Essbaren Stadt kann also ein Leitbild oder Bestandteil einer kommunalen/regionalen Ernährungsstrategie sein, in der soziale, ökologische, ökonomische und kulturelle Aspekte unter Nachhaltigkeits-, Resilienz- und Gerechtigkeitsdimensionen zusammengedacht werden.


Bio-/Diverse Essbare Stadt Graz

Eine Fallstudie aus einem EU-Forschungsprojekt

Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts PLANET4B (gefördert im Rahmen von Horizon Europe) wurde das Konzept der Bio-/Diversen Essbaren Stadt wie oben beschrieben in Graz untersucht und weiterentwickelt (zwischen Dezember 2022 und Juni 2025). Die Fallstudie – neben anderen spannenden Fallstudien in anderen Ländern zu Biodiversität in diesem Projekt – wurde vom IFZ (Interdisziplinäres Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur) gemeinsam mit dem Forum Urbanes Gärtnern (uns) durchgeführt und verband praktische Erfahrungen mit politischen Handlungsvorschlägen.

Zentral war dabei die Frage: Wie kann Biodiversität in der Stadt gestärkt werden – und wie kann das allen – insbesondere für Frauen* mit Mehrfachdiskriminierungserfahrungen – zugutekommen?

Dazu wurden mehrere Veranstaltungen (Wissenschafts-Gesellschafts-Dialog) organisiert, Interviews mit Expert:innen durchgeführt, co-kreative Workshops mit verschiedenen Stakeholdern aus verschiedenen Bereichen veranstaltet und Literaturrecherche betrieben. Ein Gemeinschaftsgarten (GAIA Gartenberg) von und für Frauen wurde mit Unterstützung der Abteilung für Grünraum und Gewässer auf einer Fläche in Graz-Eggenberg gegründet und begleitet, welcher ab 2025 zu einem essbaren Community Park ausgebaut werden soll.


Ergebnisse: Einblick in die Handlungsfelder

Neben dem Gemeinschaftsgarten wurden auch Vorschläge für Maßnahmen erarbeitet, die beispielsweise in regionale oder kommunale Ernährungsstrategien oder konkrete Projekte eingearbeitet werden können.

Dazu wurden folgende 11 Handlungsfelder definiert:

1. Erhalt natürlicher Ressourcen

Die Stadt nutzt ihre Ressourcen sparsam und denkt in Kreisläufen – z. B. durch Humusaufbau, erneuerbare Energie im Ernährungssystem und weniger Lebensmittelabfall.

2. Biodiversität von Kultur- und Wildpflanzen sowie von Nutztieren

Vielfalt wird gezielt gefördert: durch Blühflächen, Obstbäume, naturnahe Gärten und Bildungsangebote zur Artenvielfalt.

3. Klimaschutz und Klimaanpassung

Regionale, klimafreundliche Lebensmittelversorgung wird ausgebaut – etwa durch kurze Wege, Bio-Produktion und klimaresiliente Sorten.

4. Bildung, Bewusstsein und Kompetenzen

Wissen rund um Ernährung, Biodiversität und nachhaltige Lebensweisen wird in Schulen, Stadtteilen und Gärten vermittelt – barrierefrei und praxisnah.

5. Körperliches und psychisches Wohlbefinden

Gesundes Essen und grüne Umgebungen fördern das Wohlbefinden – z. B. durch gesunde Kantinen, gemeinschaftliches Essen und Kochen und Bewegungsangebote im Grünen.

6. Ernährungsgerechtigkeit

Jede:r soll Zugang zu gesundem, nachhaltigem und kulturell passendem Essen haben – unabhängig vom Einkommen oder von Einschränkungen.

7. Geschlechtergerechtigkeit und Intersektionalität

Ernährung ist auch eine Gerechtigkeitsfrage – Frauen*, Menschen mit Behinderung oder Migrationsgeschichte sollen gezielt eingebunden und gestärkt werden. Physische, digitale und kognitive Barrieren sollen abgebaut werden.

8. Zusammenleben in Vielfalt

Essen verbindet. Nachbarschaftsgärten, interkulturelles Kochen und barrierefreie Räume fördern Begegnung, Teilhabe und soziale Vielfalt.

9. Stadtentwicklung

Grünflächen, Märkte und Gärten sollen von Anfang an in die Stadtplanung integriert werden – möglichst nah am Wohnort und gemeinsam gestaltet.

10. Regionale Wertschöpfung und Kreislaufwirtschaft

Regionale Landwirtschaft, kurze Lieferketten und grüne Arbeitsplätze stärken die lokale Wirtschaft und machen das Ernährungssystem krisenfester.

11. Zusammenarbeit zwischen Stadt, Wirtschaft und Zivilgesellschaft

Eine nachhaltige Stadt braucht viele Mitspieler:innen: Verwaltung, Wirtschaft, NGOs und Bürger:innen arbeiten gemeinsam an einer lebenswerten, vielfältigen Zukunft.


Broschüre zum Download

Die Broschüre kann hier heruntergeladen werden.

  • Version 1: Druckversion (2 auf 1 Seite, doppelseitiger Druck mit spiegeln an kurzer Kante, als Broschüre zusammenheften

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